Iryna – Kiew

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Schon im Januar schickte mir mein Bekannter aus Erlangen Artikel von Veröffentlichungen der britischen und amerikanischen Geheimdienste zu einem möglichen Krieg. Aber hätte man daran glauben können, wenn man ein ganz gewöhnliches, geregeltes und friedliches Leben führt. Ich hatte Heiko während seiner Dienstreise in Kiew kennengelernt, und wir blieben in Briefkontakt. Seinen Warnungen wollte ich freilich nicht recht glauben, und ich nahm diese ganzen Informationen auf wie einen weiteren Anlass, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Unterdessen mahnten mich auch Freunde aus London, der Ausbruch eines Krieges sei sehr wahrscheinlich. Am Valentinstag schrieb dann Heiko, er empfehle mir dringend, Kiew zu verlassen. Gleich wie, einfach nur raus. Natürlich war ich dankbar für die Sorge! Mit meiner Freundin besprach ich die Sache, doch die meinte auch das sei alles übertrieben, es werde schon nicht so schlimm. Viele dachten damals so. Und ich hatte ja gerade erst im Dezember zwei große Projekte abgeschlossen, war frisch von einem Spanienurlaub zurückgekehrt und wollte eigentlich von all dem gar nichts wissen, interessierte mich kaum für Politik und die geopolitische Situation – und blieb, wo ich war.

Dann erwachte ich am 24. Februar gegen 4.30 Uhr von den Detonationen und lese auf Telegram, der Krieg habe begonnen. Ich dachte sofort an Flucht, aber meine 28jährige Tochter, die schwieriger Beziehungen zu ihrem Mann wegen erst vor einigen Monaten zu mir gezogen war, wollte nicht weg. Meine Freundin verließ noch am gleichen Tag Kiew in Richtung Westukraine, von wo aus sie weiter über Polen nach Italien gelangte.

Wir hatten keine Lebensmittel gehortete, nur ein paar Vorräte waren im Haus. Aber am ersten Tag wäre ohnehin kein Rauskommen möglich gewesen. Wir wohnten in einem Hochhaus auf der linken Seite des Flusses. In der Nähe liegt Browary und das Heizkraftwerk, wo natürlich gleich die Panzer auffuhren, ein strategisches Objekt. Dabei wusste ich gar nicht, welche Panzer das waren, ob unsere oder die des Feindes. Ich fürchtete nur, man würde die Anlage sprengen und damit den größten Teil Kiews kaltstellen. Das wäre gegen Ende des Winters nicht so lustig geworden.

Am Anfang begreift man das alles gar nicht. Man hört die Explosionen, aber es wirkt irreal. Im Keller unseres Hauses war es nicht zum Aushalten, alles aus Beton, schrecklicher Gestank, nicht eingerichtet für den Katastrophenfall. Ich wollte dort nicht übernachten. Wir wohnten im achten Stock und packten die Rucksäcke mit dem Notwendigsten, hielten sie griffbereit. Nach dem Alarm blieben immer nur drei Minuten. Wie sollten wir das über die Treppe hinunter in den Keller schaffen? Anfangs wollte ich dann zu meinem Vater, aber gut, daß wir das doch nicht taten, denn er lebte im Familienhaus in der Nähe von Butscha, Irpen und Hostomel, wo der Flughafen liegt, einer der ersten Ort, welche die russische Armee einzunehmen versuchte. Später sahen wir dann, was sie in der Gegend angerichtet hatte.

Bis zur Flucht am 3. März lagen freilich noch schlimme Tage vor uns. Wir sahen nur immer mal wieder nach dem Auto auf dem Parkplatz, kauften ab und an ein, überall Schlangen… Es war so, als ob plötzlich lauter fremde Leute in unserem Stadtteil lebten. Ich wohnte dort seit 1983, kannte also die Einheimischen. Aber nun fühlte ich mich fremd in der Umgebung. Wir kauften Weißbrot, Käse, Schokolade, ohne Logik und Plan, ohne zu wissen, für wie lange die Vorräte reichen sollten. Ansonsten saßen wir zu Hause. Die Tochter wollte einfach nicht weg, um nichts auf der Welt. Sie war fest überzeugt, wir sollten in der Ukraine bleiben und hier helfen, auch wenn wir nicht die Spur einer militärischen Erfahrung hatten.

In den Läden fehlten unterdessen die Leute sogar an der Kasse. Ich überlegte schon, ob ich nicht da aushelfen sollte. Aber die Sirenen heulten ununterbrochen. Wir verbarrikadierten uns regelrecht in der Wohnung, verklebten die Fenster, lasen nur noch Nachrichten. Die Einschläge der Raketen kamen näher. Ein unbeschreibliches Geräusch, dieses Zischen und Donnern. Also verklebe ich die Fenster, damit das Glas bei der Druckwelle nicht zersplittert. Mit der Tochter geriet ich unterdessen richtig in Streit. Bis zu Tränen. Wir kamen da einfach nicht zusammen. Ich habe noch nie mein Kind angeschrien, für sie war das ganz ungewohnt. Das erste Mal hatte sie das zwischen ihrem Mann und dessen Mutter erlebt. Aber jetzt begann ich plötzlich, sie anzuschreien: „Wir haben Krieg, hör mir endlich zu!“ Aber sie will sich nicht von mir dominieren lassen. „Ich verstehe, dass Du an Deinen Mann denkst. Aber wir können doch nicht helfen, im besten Fall können wir einfache Hilfsarbeiten als Sanitärinnen verrichten!“ Ich bitte meine Freundinnen und meinen Vater, mit der Tochter zu sprechen. Alles vergebens. 

Dann brach die Verbindung mit dem Vater ab, etwa ab dem 1. März herrschte Funkstille. Auch mit dem Bruder hatte ich keine Verbindung mehr. Nur die Mutter war noch bei uns in die Wohnung. Papa wollte weiter auf das Haus aufpassen. Erst als wir hier in Sicherheit waren, nach dem 5. März, hatten wir wieder Verbindung mit ihm.

Wie gelähmt saß ich auf dem Sofa, las die Nachrichten auf Telegram, meldete di von mir erkannten Fehlinformationen an die Redaktion. Ich konnte nichts essen, lenkte mich dann trotzdem damit ab, Kartoffelbrei zu kochen. Da rief mein Ex aus Polen an. Er meinte, ich sei wohl nicht ganz bei Trost, noch in Kiew zu bleiben: „Nichts wie raus!“ Aber ich kann doch nicht ohne meine Tochter fahren. Eine Freundin erzählte, ihre Tochter wolle auch nicht weg. Aber was soll man machen, wenn man gar nicht weiß, wo die Raketen als nächstes einschlagen? Mich rief dann wieder eine Freundin an und erzählte von ihren Sorgen. Da überkam mich eine regelrechte Heulattacke, ich konnte mir nicht mehr helfen, die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Ich konnte ja die Tochter nicht zwingen. Mit Logik konnte ich ihr nicht beikommen. Aber was machen mit den Emotionen? 

Ich wollte dann einfach nur mit dem Auto durch Kiew kurven. Überall standen Posten an den Ausfahrten. Also fuhr ich tanken, aber überall diese unendlichen Schlangen. Ich hatte den Tank noch halb voll und kam dann zu einer wenig frequentierten Tankstelle mit nur wenigen Autos vor den Zapfsäulen. Ich tankte voll, zahlte bar, weil man die Karte nicht nehmen wollte, und fuhr zum Fluss. Aber da war Endstation. Man kam nicht rüber, sie war nur für Anwohner frei. Also wieder heim, das Auto geparkt, in die Wohnung hoch. Funkstille: Wir sprachen nicht mehr miteinander, schliefen aber nebeneinander. 

Am andern Morgen rief dann mein Freund Mischa an, ich weiß nicht, was er meiner Tochter sagte, aber da kam zu mir und sagte plötzlich: „Wenn Du willst, können wir fahren“… Wir nahmen nur die Rücksäcke mit und Wasser… Und fuhren los. Da ruft der Cousin Mischa wieder an und bittet, die Mutter mitzunehmen. Aber wir waren schon in der anderen Richtung unterwegs, wir würden es nicht bis zur Sperrstunde zu unserem Ziel schaffen, wenn wir jetzt noch einmal kehrt machten. Also sollte sie mit dem Taxi bis zur Tankstelle an der Stolitschny-Chaussee kommen. Es blieb nach meiner Berechnung nur eine Viertelstunde. Und, siehe da, die Frau schaffte es, wir erwarteten sie an der Tankstelle und fuhren gleich weiter. Jetzt rief plötzlich  Mischas Frau an: Ob wir nicht auch noch ihre Freundin mitnehmen könnten. In meinem kleinen Auto? Wir würden halt zusammenrücken. Doch auch nach zehn Minuten war die Kleine noch nicht da, und wir mussten losfahren, sonst hätten wir es nicht bis Bordytschewa, Region Schytomyr, geschafft, 180 km von Kiew entfernt. Man konnte ja nicht auf der Hauptstrecke fahren. So waren wir statt der regulären dreieinhalb Stunden ganze sieben Stunden unterwegs. Dabei galt ab 17.00 Uhr schon Sperrstunde. Wir kamen aber erst um 18.00 Uhr an und hatten dann auch noch eine Panne auf diesen schlechten Nebenstrecken. Wir riefen in einer Werkstatt an, aber alles war schon zu. Dennoch kam jemand und half uns, die Felge zu wechseln, zumal der Reifen noch ganz war. Das Licht im Dorf war schon überall aus. Während der Mann das notwendige Werkzeug holte, warteten wir bei dieser Werkstätte und ließen, allein, wie wir waren, die Scheinwerfer an. Und da hören wir plötzlich Schüsse. Ich schicke alle ins Gebäude, und wir stellen das Licht ab, um die Aufmerksamkeit nicht auf den Ort zu lenken. Nach einiger Zeit kam der Mann mit einer Felge zurück und meinte, wir würden es so bis Polen schaffen. Er wollte nicht einmal Geld dafür nehmen, nur die symbolische Summe von 200 Hrywnja…

Ich war völlig erledigt. Wir sollten wegen der Sperrstunde ohne Licht fahren, aber ich wusste gar nicht, wie das gehen sollte. Die Scheinwerfer gehen bei meinem Auto automatisch an, man kann sie nicht ausmachen. Aber es war ja verboten, mit Licht zu fahren, ich musste sie also irgendwie abstellen. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie wir auf den Hof des Hauses kamen, wo wir übernachten sollten. Wir wurden mit Essen empfangen, aber ich konnte gar nichts zu mir nehmen – außer Tee. Lange Gespräche folgten. Man riet uns, nicht schon um 6 Uhr loszufahren, denn: „Man hält Euch sonst überall an und fragt nach dem Woher und Wohin.“ Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Menschen in diesem gastfreundlichen Haus schliefen. Die Familie, die uns aufnahm, das Ehepaar mit zwei Kindern, die Großmutter, die Eltern unseres Freundes, ihre Schwester, die wir mitgebracht hatten… Vielleicht habe ich noch jemanden vergessen. Man gab uns das Schlafzimmer mit einem großen Bett zum Ausschlafen. Die Gastgeber schliefen zu dritt auf einem Diwan im Wohnzimmer, die Gäste in den anderen Zimmern zu mehreren in einem Bett.

Auch zum Frühstück konnte ich nichts essen. Wir fuhren um 9 Uhr los – 470 km auf schrecklichen Straßen bis zur Grenze (die Hauptstraßen konnte man nicht nehmen)  –, und um 19 Uhr waren wir dann da. Ich saß immer allein am Steuer. Die Tochter hatte zu wenig Erfahrung, gerade bei winterlichen Straßenverhältnissen. Als die Tankanzeige nach unten geht, kommen wir gerade zu einer Tankstelle, aber da standen die Leute schon drei Stunden, und bis zur Grenze war es noch weit. Einige Stunden auf der Strecke zu verlieren, könnte eine weitere Stunde auf dem Gebiet der Ukraine über Nacht bedeuten, also beschlossen wir, weiterzufahren. Wir kommen wieder in ein Dorf und fahren jetzt schon auf Reserve. Nun gingen mir die Nerven durch, ich wurde fast hysterisch. 

Ich bin kein religiöser Mensch, aber jetzt fing ich zu beten an, zu den Göttern, zu den höheren Mächten, damit wir es bis zur Grenze schafften. Die Tochter machte sich schon lustig über all meine herabgebeteten Schutzengel. Und wenn wir jetzt doch hier stehenbleiben sollten, würde ich von Haus zu Haus gehen und von mir aus in Dollar für jeden Tropfen Benzin zahlen oder einfach irgendwo übernachten, denn im Auto wäre es zu kalt. Und siehe da, hier gab es eine Tankstelle mit nur zwei Autos vor uns. Die Tochter hatte noch Hrywnja, und wir konnten 20 l tanken; Geld hatten wir ja, aber mehr Sprit wurde nicht abgegeben. Und nun fragte ich: „Wer von Euch Göttern und Engeln hat uns geholfen? DANKE!“ So kamen wir dann doch bis zur Grenze…

Heiko, mittlerweile dienstlich in Thailand, hatte immer „stupid woman!“ geschrieben, weil ich so spät losgefahren bin. Er hatte ja alles angeboten: sein Haus für mich, die Tochter, die Mutter… Und nun hatte ich nur 300 Euro dabei. Alle erzählen immer, wie herzlich die Flüchtlinge in Polen aufgenommen werden, aber wir bieten das Kontrastprogramm, wir hatten fast nur Pech. Zunächst war da die Versicherung für das Auto. Jedenfalls hatte mein Ex erzählt, die Police könne man für einen Złoty abschließen doch wir blätterten 40 Euro hin. An der Grenze standen wir zehn Stunden. Gleich nach dem Grenzübertritt nach Polen fuhren wir auf eine Tankstelle, kauften Tee, belegte Brote und eine Handykarte. Ich wusste nicht, dass wir weiterhin die ukrainische hätten nutzen können. Immerhin konnte ich endlich etwas essen. In Warschau war ich dann derart erschöpft, dass ich fast schon am Steuer eingeschlafen wäre. Also ab ins Hotel.

Ja, Zimmer hätten sie noch frei, meinte die Frau an der Rezeption, die schlechter Polnisch sprach als ich. Sie erzählte, aus Sumy zu kommen, wo sie ihre Kinder zurückgelassen hatte. Sie zeigte keine Regung als wir ihr sagten, Sumy liege unter Beschuß des Feindes… Wir wollten nur ein paar Stunden schlafen, brauchten kein Frühstück oder Abendessen. Aber es gab keinen Nachlass. Der volle Preis, da man ohnehin die Bettwäsche würde wechseln müssen. Und obwohl es ein Zimmer mit WiFi war, gab es kein Internet. Abzocke.

Die ukrainische Karte funktionierte nicht mehr. Gut, dass ich Internet über die polnische Handykarte hatte. Endlich erreichten wir Papa, mit dem wir seit unserer Abfahrt keinen Kontakt mehr hatten. Den Göttern sei Dank lebte er noch. Aber es gibt auch schreckliche Nachrichten: Ins Haus meiner Patin, der Schwester meiner Mutter, hatte ein Geschoss eingeschlagen, und mein Cousin war ums Leben gekommen. Meine Patin konnte nicht mehr helfen, und der Rettungswagen schaffte es nicht rechtzeitig, und so verblutete mein Cousin einfach. Man setzte ihn im Garten bei, da man nicht mehr zum Friedhof kam, der Weg war zu gefährlich, und Strom gab es im Dorf nicht mehr. Aber gleich wie, den Göttern sei Dank war Papa am Leben. 

Meine Cousine lebte ganz im Zentrum von Kiew, sie saß die ersten Tage nur in der U-Bahn. Alle waren erkältet, wollten aus Kiew raus zu Verwandten. Sie wollte ursprünglich mit uns fahren. Aber, als es losging, war sie nicht zu erreichen, unter keiner ihrer Nummern. Auf der ganzen Strecke bis zur Bücke in Kiew hatte ich versucht, sie zu erreichen. Als sie endlich zurückrief, war es bereits zu spät. Sie floh dann am nächsten Tag. Sie erfuhr später auch, was passiert war. Ich konnte nicht auf sie warten, wollte die Leute in dem Dorf nicht länger behelligen, sie hatten ja wegen uns auf dem Boden geschlafen. Der Kontakt riss dann ab. Es war immerhin ihr Bruder, der umgekommen war. Erst nach seiner, Igors, Beerdigung im Garten floh dann auch Julia, seine Schwester, und der Kontakt war wieder da. Sie lebt jetzt mit ihren Kindern in Polen.

In Polen musste ich zur Bank, um mir eine neue Karte ausstellen zu lassen, damit man mir Geld überweisen konnte. Die Bankangestellte half uns sehr, stellte eine No-Name-Karte aus, änderte die Handynummer, und mit der neuen Karte konnten wir dann tanken und alle möglichen Vitamine kaufen. Die zu schlucken, wäre besser, als dauernd Kaffee zu trinken, meinte ich. Und dann ging es von Warschau aus recht schnell. 900 km – und abends waren wir schon in Erlangen. Die Grenze hinter Breslau hatten wir gar nicht groß bemerkt. Am 5. März um 16.30 Uhr trafen wir ein, und Heikos Bruder nahm uns in Empfang –  mit einem ganzen Korb voller Essen und drei Flaschen Prosecco. Der ganze Kühlschrank rammelvoll. Vorräte für mindestens einen Monat, wie mir schien. Aber alles, was ich wollte, war nur WLAN, um wieder Kontakt mit den Eltern aufzunehmen. Am Tag darauf lernten wir Rose und Elske kennen. Die beiden öffneten uns alle Türen. Die ersten Tage wollten wir allerdings nur schlafen. Am 8. März schickten wir eine Mail ans Rathaus mit dem Angebot, als Freiwillige zu helfen, und schon am 10. März zeigte man uns alles, und seither arbeiten wir ehrenamtlich im Rathaus. Wir lernten die Sicherheitsleute kennen, ganz liebe Leute, die sich rührend um uns kümmerten und uns sogar mit Kaffee und Süßigkeiten versorgten. Als dann der Ansturm der Menschen aus der Ukraine kam, blieben wir oft bis sechs oder acht Uhr abends im Rathaus. Ich ging immer zu Fuß, mir taten die Füße weh, weil ich nie zuvor so lange stand. Daheim legte ich nur die Beine auf dem Sofa hoch. 

Nach unserer Ankunft sagte meine Tochter ständig, sie wolle wieder heim. Ich bot ihr an, gleich wieder zurückzufahren. Aber diese ehrenamtliche Arbeit gab ihr dann Halt und Ruhe. Wir kamen einander wieder näher. Plötzlich wollte sie mit mir Serien anschauen, wir erinnerten uns an den Prosecco und tranken die erste Flasche gemeinsam. Wir kauften Ravioli und schauten einen Horrorfilm, tranken den Prosecco, und stießen zum ersten Mal auf unsere Rettung an, sprachen zum ersten Mal wieder ruhig miteinander. Dass wir hier etwas Nützliches taten, krempelte uns tief drinnen ganz um. Und jetzt wurde auch ich endlich ruhig. Ich habe Arbeut, die Tochter einen Minijob bei der AWO. Was wollen wir mehr?! Abgesehen davon, dass der Krieg möglichst bald zu Ende geht!

Jetzt will ich mich hier integrieren. Ich sehe die Dinge nüchtern. Ich werde wohl im besten Fall die Wohnung in Kiew verkaufen. Ich habe nichts, wohin ich zurückkehren könnte. Da nun auch meine Tochter in Erlangen angekommen ist, will nicht mehr weg von hier. In Erlangen fühle ich mich jetzt wie daheim.

Aufgezeichnet am 12. August 2022

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